|                            »Natürlich tut es weh, immer noch. Aber ... wenn ich daran denke, was man den Juden angetan hat.« Zwischen seine Worte drängte sich das Poltern der Straßenbahn, die über eine Weiche fuhr.                          »Ich    weiß noch, wie eines Tages Victor Klemperer vor mir stand. Das muß    schon in der Marienallee gewesen sein. Ich hatte ihn nicht mehr gesehen    seit dem Tag, an dem Striegel ihm das Bibliotheksverbot ausrichten    mußte.                           Jetzt  war er wieder da. Große, wache Augen, die einem bis ins   Herz  blickten. Aber die Todesangst hatte sich in seine Züge gegraben   ...                          Er  mußte die Deportationsbefehle für die  letzten  Dresdner Juden  austragen, am 13. Februar. Der Angriff war seine   Rettung. Ein paar  Tage später hätten sie auch ihn umgebracht.                                                    Und    jetzt stand er vor mir, in dieser kalten Kaserne. Gepreßt wie    Ziegelsteine stapelten sich die Bücher bis zur Decke. Und er fragt    mich nach französischer Literatur aus dem 18. Jahrhundert. Voltaire,    Rousseau, Molière ... Ich habe mich so geschämt!«                             |